Arbeitswelt | Lesedauer: 4 min | aktualisiert am 21.06.2024
Zielgruppe: Bewerber*innen, Arbeitnehmer*innen
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All-In-Vertrag: Was bedeutet dieses Dienstverhältnis?
In Österreich bedeutet ein All-In-Vertrag, dass es sich mit dem Arbeitsvertrag quasi wie mit einem All-Inclusive-Urlaub verhält: Der oder die Arbeitnehmer*in erhält ein festes Gehalt, das alle Lohnnebenkosten, wie Steuern, Sozialversicherungsbeiträge oder Krankenversicherung enthält und auch Zulagen und Sonderzahlungen inkludiert.
Ein Gehalt, alles inklusive.
Dazu zählen auch Über- und Mehrstunden. Ursprünglich für Führungskräfte gedacht, verbreitet er sich mittlerweile aber auch in mittleren und unteren Gehaltsklassen. Laut Statistik Austria hatten im Jahre 2019 insgesamt 15% der unselbständig Beschäftigten einen Vertrag mit Überstunden-Sonderregelung, bei etwa der Hälfte davon handelte es sich um einen All-In-Vertrag - die Tendenz zeigt nach oben.
All-In-Vertrag: Welche Vorteile bietet er?
… für Arbeitnehmer*innen
Der All-In-Vertrag verspricht gewisse Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind. Da Arbeitgeber*innen sämtliche Lohnnebenkosten übernehmen, erhalten Arbeitnehmer*innen in der Regel ein Bruttogehalt, das höher als bei einem normalen Vertrag ausfällt.
Das Nettoeinkommen steigt ebenfalls, da weniger Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen werden. Ein All-In-Vertrag ist heute somit vor allem für Arbeitnehmer*innen verlockend, die gerade erst ins Berufsleben einsteigen und noch keine Erfahrung im Umgang mit komplizierten Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen haben und sich dahingehend lieber zurücklehnen wollen.
Hinzu kommt, dass das vereinbarte Gehalt auch in derselben Höhe abgegolten wird, wenn keine oder nur wenige Überstunden geleistet werden. Auch bei Sonderzahlungen gilt das gesamte Entgelt als Berechnungsgrundlage. Im Glücksfall wird Angestellten also bei nur wenigen Überstunden mehr Gehalt ausgezahlt.
… für Unternehmen
Für Arbeitgeber*innen zählt vor allem: ein All-In-Vertrag bedeutet weniger Verwaltungsaufwand und spart somit Zeit und Geld. Das Entgelt kann einfacher berechnet werden und da sämtliche Lohnnebenkosten bereits im Vertrag enthalten sind, müssen Geschäftsführende nicht mehrere verschiedene Kostenfaktoren berücksichtigen.
Das lässt CEOs besser kalkulieren und planen und auch die Buchhaltung erfreut sich über gesparte Arbeit.
Die Sache mit den Überstunden - warum beim All-In-Vertrag Vorsicht geboten ist
Auch wenn diese Vertragsform auf dem Papier Vorteile verspricht, kritisieren vor allem Arbeiterkammer und Gewerkschaften wie die GPA-djp, dass sich All-In-Verträge auch als Mogelpackung entpuppen können. Die GPA bietet zum Beispiel online einen "All-In-Rechner" an, der Arbeitgeber*innen die Möglichkeit bietet, auszurechnen, ob das Entgelt in der Vereinbarung auch der tatsächlich geleisteten Arbeit entspricht.
Eine Analyse der Daten des All-In-Rechners ergab im Jahr 2019, dass bei mehr als vier von zehn (44 Prozent) Rechnungen nicht angemessen bezahlt wird. Fast die Hälfte der analysierten Arbeitsverträge erwies sich also als benachteiligend für Arbeitnehmer*innen.
Das liegt vor allem daran, dass Arbeitnehmer*innen teilweise viel mehr Überstunden leisten als die Pauschalrechnung im Arbeitsvertrag vorsieht. Damit kommen sie in Summe auf einen geringeren Stundenlohn, der das Geld, das der All-In-Vertrag zunächst lukrativ erscheinen ließ, in ein wesentlich schlechteres Licht rückt. In vielen Fällen ist die Bezahlung bei Berücksichtigung der Überstunden sogar so schlecht, dass das Grundgehalt unter den im Kollektivvertrag vereinbarten Mindestlohn sinkt.
Das ist nicht nur unfair, sondern tatsächlich auch rechtswidrig: auch ein All-In-Vertrag kann und darf eine Vereinbarung, die im Kollektivvertrag geschlossen wird, nicht außer Kraft setzen.
Das hat zur Folge, dass viele Arbeitnehmer*innen wie so oft zu viel für zu wenig Geld arbeiten. Neben den nicht bezahlten Überstunden kommt dabei auch eine enorme Arbeitsbelastung hinzu.
So arbeiten mehr als 40% der Arbeitnehmer*innen der GPA-Analyse mehr als 45 Stunden die Woche, 17 Prozent sogar mehr als 50 Stunden. Viele dieser Überstunden fallen gar auf das Wochenende und entpuppen sich als echte Freizeitfresser. Ein All-In-Vertrag kann somit nicht nur ungerechte Entlohnung, sondern auch eine massive Arbeitsbelastung verursachen. Eine ausgeglichene Work Life Balance scheint damit in weite Ferne zu rücken.
Was kann ich gegen unfaire All-In-Bezahlung unternehmen?
Für Arbeitnehmer*innen gilt daher beim Abschluss eines solchen Vertrags, stets die Augen offen zu halten und vor allem auch informiert in die Verhandlung zu gehen. Das AMS gibt einige Tipps, worauf Neu-Angestellte achten sollten, bevor sie einen solchen Vertrag unterzeichnen. So führt es auf, dass Arbeitgeber*innen das kollektivvertragliche Mindestentgelt nicht unterschreiten dürfen und durch die All-In-Vereinbarung auch nicht schlechter gestellt werden dürfen als bei einer Einzelabrechnung der Überstunden.
Allgemein gilt: wenn Unstimmigkeiten auftreten sollten, sollten Sie als Arbeitnehmer*in in jedem Fall noch einmal nachverhandeln und die eigenen Ansprüche geltend machen – schließlich stehen Sie damit im Recht.
Gibt es vergleichbare Alternativen?
Der All-In-Vertrag wird auch als "Unechte Überstundenpauschale" bezeichnet. Das heißt, dass nicht explizit klargestellt wird, wie hoch die Anzahl der Überstunden ist, die durch die Überstundenpauschale im Bruttogehalt entlohnt wird. Anders verhält es sich mit der "Echten Überstundenpauschale". In diesem Fall ist sowohl das Grundgehalt als auch die Anzahl der Überstunden, die die Pauschale abdeckt, genau festgelegt. Arbeitnehmer*innen können sich somit zumindest vergewissern, wie viel Überstunden "zu viel" sind und das dementsprechend bei Ihren Vorgesetzten anprangern.
Darüber hinaus sollten Arbeitnehmer*innen stets wissen: Wenn durch Überstunden die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird, ist es ihr Recht, diese Überstunden abzulehnen, ohne deswegen benachteiligt oder gekündigt werden zu können.
Auch wenn sie diese Stunden annehmen, haben sie den Anspruch auf Kompensation und dabei die Wahl zwischen einer Geldzahlung oder einem Zeitausgleich. Im Zweifelsfall hilft ein Anruf oder eine E-Mail an Betriebsrat, Arbeitnehmervertretung oder Arbeiterkammer. Diese Stellen bieten oft auch Rechtshilfe im Streitfall.
Wir fassen zusammen
Ein All-In-Vertrag hat wie jede andere Vertragsform seine Vor- und Nachteile. Dennoch gilt insbesondere für Arbeitnehmer*innen, Vorsicht walten zu lassen.
In vielen Fällen werden Angestellte durch solche Verträge in eine ungünstige Lage gebracht, der sie aufgrund der Vertragsgebundenheit nicht einfach entfliehen können. Insbesondere für sie gilt also stets, die eigenen Rechte beim Vertragsabschluss zu kennen und auch aktiv einzufordern.
Denn eines ist klar: niemand sollte zu viel Arbeit für zu wenig Geld verrichten.